Das Zwitschern unter dem Kielbogen
Fragmente einer durchbrochen gearbeiteten Halbzylinderkachel mit genastem, von einer Kreuzblume bekröntem Kielbogen sind in den Zwickeln mit Vögeln besetzt. Diese stehen ihrerseits unter Blüten. Derart verzierte Halbzylinderkacheln sind aus ganz Südwestdeutschland sowie aus der Nordschweiz bekannt.
Die Differenzierung zeigt sich in der Kopfhaltung der Vögel. Diese können einander zugewandt sein oder antithetisch in Szene gesetzt werden. Die unterschiedliche plastische Ausbildung der Körper der Vögel reicht vom holzschnittartigen Flachrelief bis zur halbplastischen Gestaltung mit detaillierter Strukturierung des Federkleides. Eine weitere Variationsmöglichkeit ist die Füllung des verbleibenden freien Raumes mit Schriftbändern oder, wie im Falle der Kachel von der Burg Bartenstein, mit Blüten. Ein Kachelfund vom Pfarrhof in Kleinheubach.1 legt nahe, daß die dort in einem Ofen verbauten Halbzylinderkacheln mit durchbrochenen Vorsatzblättern mit Kielbögen in ihren oberen Zwickelfeldern neben zwei Varianten von Vögeln mit mindestens drei weiteren Dekoren in Form von Speichenrädern, Rosen und Löwen aufwarten konnten.
Die Relieffragmente mit den Vögeln von der Burg Partenstein gleichen im Detail keinem anderen, motivisch ähnlichen Fragment aus anderen Fundstellen im Spessart. Ihre Datierung ist stilistisch aufgrund des von einer Kreuzblume überfangenen Kielbogens in die Mitte des des 15. Jahrhunderts festzusetzen.
Die Kachel mit den Vögeln unter Blüten dürfte mit Halbzylinderkacheln mit einer Inschrift in gotischen Minuskeln in deinem Ofen eingebaut gewesen sein. Das Vorsatzblatt kann durch ein Kachelfragment aus dem Schloss in Wiesen im Spessart vervollständigt werden. Unter der einzeiligen Inschrift „ihesusmaria“, die ursprünglich die gesamte Kachelbreite überspannte, sitzt im rechten Zwickel ein Hirsch. Der linke obere Zwickel unter „…maria“ ist mit einem ebenfalls sitzenden Einhorn besetzt. Beide Tiere blicken zur Bildmitte. Sie verkörpern die in der Inschrift Genannten, Jesus Christus (Hirsch) und Maria (Einhorn).2 Ein einfaches, im Oberteil mit Perlbändern besetztes, von zwei schmalen Stegen flankiertes Band verschmälert sich im Bereich der beiden nach innen weisenden Nasen. Der Dekor ersetzt das an dieser Stelle zu erwartende zeittypische Gliederungssystem mit einem Kielbogen.
© Harald Rosmanitz, Partenstein 2022
Weiterführende Literatur:
Loskotová, Irena (2011): Brněnské kamnové kachle období gotiky. (masch. Diss.), Brno.
Rosmanitz, Harald (2017): Vom Hölzchen auf´s Stöckchen. Was hat ein Einhorn auf Ofenkacheln zu suchen? In: Christoph Rinne; Jochen Reinhard; Eva Roth Heege; Stefan Teuber (Hg.): Vom Bodenfund zum Buch. Archäologie durch die Zeiten. Festschrift für Andreas Heege zum 60. Geburtstag, Bonn, S. 273–288.