Ohne Schnickschnack – einfache Napfkacheln


3D-Modell des Fragments einer oxidierend gebrannten Napfkachel mit umgeschlagenem Rand sowie mit konzentrischen Rillen im Boden von der Burg Bartenstein, Untermain, um 1500, Partenstein, Burg Bartenstein, Partenstein, Museum Ahler Kram, Fd.-Nr. 1734, H. 14,7 cm, Br. 15,8 cm

Die unglasierte, oxidierend gebrannte Napfkachel von der Burg Bartenstein nimmt sich im Vergleich zu reliefierten Ofenkacheln eher unscheinbar aus. Sie besitzt einen runden Boden, der zur Mitte hin durch konzentrische Rillen gegliedert ist. Die bauchige Wandung ist von horizontalen Drehrillen gegliedert. Sie mündet in einen quadratischen, nach außen umgeschlagenen Rand.

Bei der Napfkachel1 handelt es sich um eine einfache Form scheibengedrehter Ofenkacheln. Sie unterscheidet sich nur durch die wulstigen Riefen auf der Außenhaut und die quadratisch ausgezogene Mündung von der zeitgleichen Gebrauchskeramik. Die Kachel ist auf der schnell drehenden Töpferscheibe auf Gehrung gedreht. Durch das Ausziehen der runden Mündung zu einem Viereck behielten die ursprünglich waagerechten Drehrillen auf der Außenseite nur noch in der Mitte ihre ursprüngliche Höhe. Sie fallen zu den Ecken hin ab.


3D-Modell des Fragments einer oxidierend gebrannten Napfkachel mit Innengrat und umgeschlagenem Rand sowie mit konzentrischen Rillen im Boden von der Burg Bartenstein, Untermain, vor 1500, Partenstein, Burg Bartenstein, Partenstein, Museum Ahler Kram, Fd.-Nr. 1144, H. 15,9 cm, Br. 15,9 cmn

3D-Modell des Fragments einer reduzierend gebrannten Napfkachel mit Innengrat sowie mit konzentrischen Rillen im Boden von der Burg Bartenstein, Untermain, um 1350, Partenstein, Burg Bartenstein, Partenstein, Museum Ahler Kram, Fd.-Nr. 1144, H. 16,7 cm, Br. 15,8 cm

Die Napfkachel entwickelte sich zu Beginn des 14. Jahrhunderts aus den Becher- und Schüsselkacheln. Sie unterscheidet sich von ihren Vorgängern durch den quadratisch ausgezogenen Rand. Bis zur ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts verdrängte sie in Südwestdeutschland die bis dahin üblichen Formen der Ofenkeramik weitgehend. Die Napfkachel erlaubte es, im Gegensatz zu den davor gebräuchlichen Ofenkeramiken, die gesamte Ofenoberfläche mit Kacheln zu besetzen und damit eine höhere Wärmenutzung zu erzielen. Im Gegensatz zu Becherkacheln müssen die Napfkacheln zur besseren Stabilität des Ofenkörpers in gegeneinander versetzten Lagen in den Ofenkörper eingebaut sein. Sie erwiesen sich vor allem wegen ihrer einfachen und daher preisgünstigen Herstellung als äußerst langlebig und waren in Süddeutschland sowie im Alpengebiet lange nach 1600 noch in Gebrauch. So setzte sich beispielsweise der Kachelbestand der im Jahre 1689 zerstörten Töpferei im Bereich der Alten Markthalle in Ettlingen etwa zur Hälfte aus unglasierten Napfkacheln zusammen. Die Häufung von Napfkachelöfen in ländlichen Regionen und in weniger begüterten urbanen Wohn- und Arbeitsbereichen spricht dafür, in solchen Öfen die Gegenstücke zu den reliefverzierten Prunköfen der repräsentativ ausgestatteten Zimmer von Patriziern, des Klerus und des Adels zu sehen. Gesindestuben, Badehäuser oder Spitäler2 waren fast schon standardmäßig mit entsprechenden Öfen ausgestattet. Vollständige Napfkacheln aus Latrinen, beispielsweise in Heidelberg, Offenburg oder Villingen legen die Vermutung nahe, daß Napfkacheln auch als Wasserbehälter für Toilettenhygiene oder als Nachtgeschirr genutzt wurden.3

Die Bandbreite an Formen, Glasuren und Dekormöglichkeiten reicht von einfachen, unglasierten Napfkacheln bis zu inwendig glasierten Napfkacheln mit plastischer Auflage. Charakteristisch für Südwestdeutschland ist die proportional zur Mündungsbreite verhältnismäßig geringe Tiefe der konvexen Kacheln. Oft haben sich aus einem Gebäudekopmplex, der über einen längeren Zeitraum hinweg im Spätmittelalter und in der Neuzeit genutzt wurde, ein ganzes Spektrum ganz unterschiedlicher Napfkacheln erhalten.4

Randform und Wandungsstärke erlauben für Südwestdeutschland eine relative Chronologie der Kachelform. Die frühen, reduzierend und oxidierend gebrannten Napfkacheln, wie sie beispielsweise von der Burg Bartenstein oder vom Kloster Elisabethenzell bekannt sind, besaßen eine vergleichsweise dicke Wandung. Der Rand wird durch einen nach innen umgeschlagenen Steg verstärkt, der karniesartig in einem nach innen weisenden Grat ausläuft. Diese auch für das 15. Jahrhundert charakteristische Form wird im 16. Jahrhundert durch einen nach außen gebogenen Wulst ersetzt. Daneben konnte der Rand in lederhartem Zustand oben abgeschnitten werden. So ließ sich eine ungleichmäßige Überhöhung des Randes vermeiden.

Die Napfkachel von der Burg Bartenstein wurde nicht als Einzelstück gefunden. Wie bei annähernd allen spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Fundkomplexen in Süd- und Südwestdeutschland stammt sie aus einem ganzen Konvolut gleichartig gestalteter Ofenkeramik.

Ofenmodell mit Napfkachel, Süddeutschland (?), 17. Jahrhundert, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. A 0502, H. 20,0 cm, Br. 7,0 cm

Über die ursprüngliche Gestalt des Partensteiner Napfkachelofens geben uns Öfen aus Tiroler Bauernstuben eine gute Vorstellung. Sie weisen eine sich nach oben verjüngende Grundform und einen kegelförmigen oder flach gemauerten oberen Abschluß auf. Druckgraphiken aus dem 16. und 17. Jahrhundert zeigen mehrfach Öfen, die zur Gänze aus Napfkacheln bestehen. Man erkennt auf den Holzschnitten jeweils einen mannshohen Ofenkörper, der auf einem verhältnismäßig niedrigen Sockel oder auf einer schmalen Bodenplatte aufsitzt. Der Ofen kann als einteilige, turmartige Konstruktion gebaut sein, die sich nach oben allmählich verjüngt. Auf anderen Darstellungen setzt ein Karnies den Feuerkasten vom Oberofen ab. Eine authentische Rekonstruktion eines Napfkachelofens gelingt mit Hilfe renaissancezeitlicher Ofenmodelle, die heute im Nordiska Museet, Stockholm5 und im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg aufbewahrt werden. Die beiden grün glasierten Ofenmodelle besitzen einen großen Feuerungsraum, über dem sich ein zwei- bzw. dreizeiliger runder Oberofen erhebt. Das Ofenmodell in Stockholm setzt sich aus 106 Napfkacheln in sieben gegeneinander leicht versetzten Zeilen zusammen. Legt man die Abmessung der Partensteiner Napfkachel zugrunde, so gibt das Stockholmer Modell einen 1,80 m hohen Ofen wieder. Die Grundform gleicht der Rekonstruktion eines spätgotischen Napfkachelofens aus Cottbus.6 Das Nürnberger Modell war hingegen in seinem fünfteiligen Aufbau nur mit insgesamt 39 Napfkacheln besetzt. Die Vermischung von Napfkacheln und anderen Kacheltypen in einem Ofenkörper ist nicht ungewöhnlich. Als Beispiel sei auf die um 1400 entstandenen Kachelöfen vom Typ Tannenberg verwiesen. Weiterführend ist auch der Blick auf die Rekonstruktionen von Napfkachelöfen im Freilandmuseum in Bad Windsheim.7

© Harald Rosmanitz, Partenstein 2022


Weiterführende Literatur:

Bedal, Konrad (1997): Bauernhäuser im Mittelalter. Ländlicher Hausbau vom 14. bis 16. Jahrhundert im nördlichen Bayern. In: Konrad Bedal; Hermann Heidrich (Hg.): Bauernhäuser aus dem Mittelalter. Ein Handbuch zur Baugruppe Mittelalter im Fränkischen Freilandmuseum in Bad Windsheim (Schriften und Kataloge des Fränkischen Freilandmuseums 28), Bad Windsheim, S. 8–87.

Blomqvist, Ragnar (1936): Kakel och Kakeltilvirkning i Lund under dansk Tid. In: Kulturens årsbok, S. 180–218.

Christl, Andreas u. Gundula (1991): Ein spätmittelalterlicher Topfkachelofen aus der Cottbuser Altstadt. In: Ausgrabungen und Funde 36 (2), S. 91–98.

Janssen, Walter (1994): Der Windsheimer Spitalfund aus der Zeit um 1500. Ein Dokument reichsstädtischer Kulturgeschichte des Reformationszeitalters (Wissenschaftliche Beibände zum Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 11), Nürnberg.

Karlson, William (1951): Kakelugens utveckling belyst av material i Kulturen. In: Kulturens årsbok, S. 112–148.

Leib, Sarah (2020): Die Ausgrabungen auf dem Kirchhügel von Bendern, Gemeinde Gamprin, Fürstentum Liechtenstein. Bd. 4: Ofenkeramik, Glas- und Metallfunde vom 8. bis 20. Jahrhundert, Vaduz.

Lithberg, Nils (1927): De Medeltida Kakelfynden i Slottet Hallwil. In: Rig 10, S. 97–126.

Majantie, Kirsi (2010): Muotia, mukavuutta ja mielipiteitä. Kaakeliuuni yhteiskunnallisten muutosten ilmentäjänä keskiajan ja uuden ajan alun Suomessa. [Fashion, comfort and conviction. The ceramic tile stove as an indicator of social change in medieval and early modern Finland] (Archaeologia Medii aevi finlandiae 17), Turku.

Meller, Harald (Hg.) (2008): Fundsache Luther. Archäologen auf den Spuren des Reformators, Stuttgart.

Roth Heege, Eva (Hg.) (2012): Ofenkeramik und Kachelofen. Typologie, Terminologie und Rekonstruktion im deutschsprachigen Raum (Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters 39), Basel.


  1. Nach Roth Heege untergliedert die Gruppe in Topfkacheln mit Standboden und quadratischer Mündung (Roth Heege 2012, S. 232-233), Napfkacheln mit Standboden und quadratischer Mündung (Roth Heege 2012, S. 237) sowie Schüsselkacheln mit Standboden und quadratischer Mündung (Roth Heege 2012, S. 244-246)
  2. Janssen 1994, Taf. 48-54
  3. Weiterführende Informationen zu Napfkacheln finden Sie hier: Eine Napfkachel aus Miltenberg | Furnologia.de
  4. Leib 2020, S. 33-39
  5. Blomqvist 1936, S. 183, Abb. 4; Karlson 1951, S. 115, Abb. 1; Lithberg 1927, S. 107, Abb. 15; Majantie 2010, S. 53, Abb. 10; Meller 2008, S. 278, Kat.-Nr. E104
  6. Christl 1991
  7. Bedal 1997, S. 45-48