Unde venis – die frühen Reliefkacheln aus Partenstein
Die Ofenkacheln von der Burg Bartenstein können als Besonderheit mit den Resten eines Ofens aufwarten, der mit frühen reliefierten Ofenkacheln besetzt war.1 Sie lassen sich dem zweiten furnologischen Nutzungshorizont der Burg Bartenstein, der zwischen 1333 und 1370/80 zu verorten ist, zuweisen. Die Kartierung der frühen reliefierten Kacheln verweist auf eine Massierung vor der Südostecke der Ringmauer. Darüber hinaus verteilten sich die kleinteilig zerscherbten Fragmente solcher Kacheln über sämtliche andere Grabungsflächen. Im Burginneren durften bislang keine Ausgrabungen durchgeführt werden.
Der Palas der Burg, die bis 1333 im Besitz der Grafen von Rieneck und in der Folge im Besitz des Erzbischofs von Mainz war, befand sich anfangs im westlichen Teil des von einer rechteckigen Ringmauer umschlossenen Areals. Die Verteilung der Ofenkeramik in den Grabungsschnitten kann nicht als Beleg dafür angeführt werden, daß die Kacheln aus diesem Gebäudetrakt stammen.
Vierpässe in Massen
Die Hauptmasse der sechs erschließbaren Motive, die für die frühen reliefierten Kacheln von der Burg Bartenstein rekonstruiert werden konnten, sind oxidierend gebrannte Napfkacheln mit glatten Böden und innen scharf profilierten Rändern. Meist sind diese annähernd quadratische Napfkacheln mit durchbrochenen Vorsatzblättern mit Maßwerk besetzt. Ihr übergeordnetes Gliederungssystem ist ein in eine Raute eingebundener Vierpaß mit ausgeschnittenem Inneren. Im Aufbau am ähnlichsten ist eine Napfkachel im Museum für Angewandte Kunst in Leipzig. Napfkacheln mit zentralem Vierpaß aus Freiburg im Breisgau2 und aus Zürich3 bestätigen eine großräumige Nutzung dieses Motivs auf Ofenkeramik.
Als kleinteiliger erweist sich der Reliefbesatz mit einem stehenden Paar. Das einzige Motiv, das sich fast vollständig ergänzen lässt, zeigt ein sitzendes Herrscherpaar. Auf einer Kranzkachel, von der sich leider nur wenige Fragmente erhalten haben, ist Samson als Löwenbezwinger zu erkennen. Ein weiteres Motiv zeigt blattbesetztes Rankenwerk.
Vom Fragment zum Ofen
Die Zugehörigkeit der Stücke des zweiten furnologischen Nutzungshorizonts auf der Burg Bartenstein zu mindestens einem Ofen ist unbestritten. Die Raumheizung auf der Burg Bartenstein war vermutlich flächendeckend mit Kacheln besetzt. Sie dürfte sich aus zwei Teilen zusammengesetzt haben. Im Feuerkasten strukturierten nicht reliefierte Napfkacheln die Oberfläche. In dem polygonen, sich nach oben verschmälernden Oberofen wären grüngelb glasierte, reliefierte Napf-, Halbzylinder- und Kranzkacheln zu verorten.4 Dem ornamentalen wurde gegenüber dem figürlichen Dekor eindeutig der Vorrang eingeräumt. Das Bildprogramm war überschaubar. Zu verweisen ist auf den alttestamentarischen Helden Samson als Löwenbezwinger und auf Liebespaare. Das Herrschaftliche wird auf durch ein sitzendes Herrscherpaar zum Ausdruck gebracht.
Unde venis – Zur Werkstatt des Partensteiner Ofens mit frühen reliefierten Kacheln
1984 konnten auf dem Anwesen Pleichtorstraße 5 in Würzburg in einer zweitägigen Notbergung im Profil einer großen Baugrube ein Keramikbrennofen und eine Grube archäologisch untersucht werden. Der kleine Ausschnitt aus dem Produktionsspektrum, der im Museum für Franken in Würzburg aufbewahrt wird, wurde 1987 publiziert.5 Die Werkstatt in Mainnähe lag vor dem neuen Pleichtor das im Rahmen der zweiten Stadterweiterung Würzburgs zwischen 1330 und 1350 angelegt worden sein dürfte. Bei der Auswertung ergaben sich Hinweise auf eine Mehrphasigkeit des Würzburger Töpferbetriebs. Ein Produktionsschwerpunkt ist für die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts zu konstatieren.6
Die in Würzburg gefertigte Keramik dürfte bis in den östlichen Spessart verhandelt worden sein. Sie war im Kloster Elisabethenzell bei Rieneck ebenso in Gebrauch wie auf der Burg Bartenstein. Typisch sind reduzierend gebrannte Kugeltöpfe, seltener sind Töpfe mit Standring. Die Häufung solcher Keramik in den Brandhorizonten des Jahres 1333, die sowohl beim Kloster Elisabethenzell als auch bei der Burg Bartenstein im Befund belegbar sind, bestätigt zumindest indirekt die grobe Datierung der Würzburger Töpferei. Als Ofenkeramik wären für beide Fundstellen im Spessart reduzierend gebrannte Spitz- und Napfkacheln anzuführen, wie sie ebenfalls in der Würzburger Töpferei gefertigt wurden.7 Auch die frühen reliefierten Kacheln von der Burg Bartenstein dürften aus Würzburg bezogen worden sein.
Datierung mit Brandschichten
Im Zusammenspiel von archäologischen Befunden und Archivalien lässt sich die Laufzeit des Ofens mit frühen Kacheln auf der Burg Bartenstein zeitlich grob einordnen. Als terminus post quem fungiert die Zerstörung weiter Teile der Anlage im Jahre 1333, als die Burg von den Herren von Hanau erobert wurde. Über diesen Kontext lässt sich das reichhaltige Fundmaterial, das bei der Brandkatastrophe in den Boden gelangte, an den Beginn des zweiten Drittels des 14. Jahrhunderts setzen. Als Leitformen fungieren reduzierend gebrannte Kugeltöpfe, doppelhenklige Tüllenkannen sowie Spitzkacheln.
Der Nachweis des Zerstörungsereignisses von 1333 korrespondiert mit den archivalisch bezeugten Streitigkeiten um das Erbe der Grafen von Rieneck, in deren Verlauf es zu kriegerischen Aktionen zwischen den beteiligten Parteien kam.8 Die in Holzbauweise errichteten Teile des Palas dürften damals vollständig den Flammen zum Opfer gefallen sein. Der Schutt wurde vor der nördlichen Zwingermauer in bis zu anderthalb Meter mächtigen Straten am dorfseitigen Hang angelagert.
Nach 1333 wurde die Burg Bartenstein zur Hälfte dem Erzbischof von Mainz und jeweils zu einem Viertel den Herren von Hanau und den Herren von Hohenlohe übereignet. Ab 1342 sind dann nur noch die Hanauer und Mainzer als Eigentümer der Burg schriftlich bezeugt. In jene Zeit, in der die Grafen von Rieneck mehrfach versuchten, sich wieder in den Besitz der Burg zu bringen, dürfte der Wiederaufbau des Palas und damit auch die Errichtung des Ofens mit frühen reliefierten Kacheln fallen.
Wohlhabend durch Besteuern?
Bleibt die Frage zu erörtern, warum gerade auf der Burg Bartenstein ein Ofen mit frühen reliefierten Kacheln errichtet wurde. Die von einer Zwingermauer umgebene Kernburg mit ihren über die gesamte Nutzungsgeschichte gleichgebliebenen Abmessungen von 20 auf 30 Metern ist vergleichsweise klein dimensioniert. Sie liegt zentral und verkehrsgünstig im Dichtefeld der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Spessartglashütten des Lohrbach- und Aubachtals.9 Es lassen sich Anhaltspunkte dafür anführen, die Burg als landesherrschaftlichen Kontrollpunkt der ansonsten weitgehend unabhängig agierenden Glasmacher zu deuten.10 In ihr dürften die Waren zusammengetragen und vor ihrem Versand auf Main und Rhein besteuert worden sein. Die Abgaben der Glasmacher könnte sich als wichtige Einkommensquelle der Burgherren der Burg Bartenstein erwiesen haben. Möglicherweise lässt sich damit auch die Notwendigkeit des Vorhandenseins repräsentativer Räumlichkeiten begründen. In diesen standen entsprechend prestigeträchtige Kachelöfen.
© Harald Rosmanitz, Partenstein 2022
Literaturverzeichnis
Gerlach, Stefan; Haas, Brigitte; Mittelstrass, Tilman; Müller, Frank; Schmidt, Irene (1987): Ein Töpferofen mit Abfallgrube des 14. Jahrhunderts in Würzburg. In: Bayerische Vorgeschichtsblätter 52, S. 133–230.
Kampfmann, Gerhard; Krimm, Stefan (1988): Verkehrsgeographie und Standorttypologie der Glashütten im Spessart (Veröffentlichungen des Geschichts- und Kulturvereins Aschaffenburg 18,2), Aschaffenburg.
Krimm, Stefan (1982): Die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Glashütten im Spessart (Veröffentlichungen des Geschichts- und Kulturvereins Aschaffenburg 18,1), Aschaffenburg.
Krimm, Stefan (1983): Die Stellung der Grafen von Rieneck und der Stadt Lohr in der Glashüttengeschichte des Spessarts. In: Meinrad A. Amrhein (Hg.): Lohr am Main 1333-1983. 650 Jahre Stadtrecht. Festschrift zum Stadtjubiläum 1983, Lohr a. Main, S. 245–270.
Rosmanitz, Harald (2005): Neues von der Burg Bartenstein im Spessart. Gemeinde Partenstein, Landkreis Main-Spessart, Unterfranken. In: Das Archäologische Jahr in Bayern, S. 131–133.
Rosmanitz, Harald (2008): Auf den Spuren des Spessartglases. Archäologische Untersuchungen auf der Burg Bartenstein bei Partenstein. In: Helmut Flachenecker; Gerrit Himmelsbach; Peter Steppuhn (Hg.): Glashüttenlandschaft Europa. Beiträge zum 3. Internationalen Glassymposium in Heigenbrücken, Spessart (Historische Studien der Universität Würzburg 8), Regensburg, S. 84–94.
Rosmanitz, Harald (2017): Vom Hölzchen auf´s Stöckchen. Was hat ein Einhorn auf Ofenkacheln zu suchen? In: Christoph Rinne; Jochen Reinhard; Eva Roth Heege; Stefan Teuber (Hg.): Vom Bodenfund zum Buch. Archäologie durch die Zeiten. Festschrift für Andreas Heege zum 60. Geburtstag, Bonn, S. 273–288.
Ruf, Theodor (1984): Die Grafen von Rieneck. Genealogie und Territorienbildung. (masch. Dissertation). 2 Bände, Würzburg.
Ruf, Theodor (1985): Partenstein unter Rieneck, Hanau und Mainz (13. Jh. bis 1803). In: Gemeinde Partenstein (Hg.): 750 Jahre Partenstein. Ein Dorf im Wandel der Zeiten, Partenstein, S. 7–21.
Schnyder, Rudolf (2011): Mittelalterliche Ofenkeramik. Bd. 2: Der Züricher Bestand in den Sammlungen des Schweizerischen Nationalmuseums, Zürich.
Stelzle-Hüglin, Sophie (1999): Von Kacheln und Öfen. Untersuchungen zum Ursprung des Kachelofens und zu seiner Entwicklung vom 11.-19. Jahrhundert anhand archäologischer Funde aus Freiburg im Breisgau (Freiburger Dissertationen 8), Freiburg i. Br.
- Zu den Grabungen Rosmanitz 2005; Rosmanitz 2008; Rosmanitz 2017
- Stelzle-Hüglin 1999, Taf. 26.2
- Schnyder 2011, S. 116-17, Kat.-Nr. 11, S. 180-181, Kat.-Nr. 151
- Der virtuellen Ofenrekonstruktion, bei der sämtliche Typen und Motive reliefierter Kacheln im Oberofen plaziert wurden, lässt sich ein Entwurf gegenüberstellen, in dem sich die Napfkacheln mit Vierpässen in der oberen Zeile des Feuerkastens befinden. Als weitere Möglichkeit der Interpretation der Fundstücke als Besätze von Kachelöfen können die Halbzylinderkacheln und ihre Gegenstücke in Form von Kranzkacheln als eigenständige Bestückung eines Oberofens interpretiert werden. Sämtliche reliefierten Napfkacheln und ähnlich dimensionierten Kranzkacheln wären dann an einem zweiten, nicht minder repräsentativen Kachelofen zu verorten.
- Gerlach et al. 1987
- Gerlach et al. 1987, S. 181
- Gerlach et al. 1987, S. 166-168
- Ruf 1984, S. 178-184; Ruf 1985, S. 9-11
- Kampfmann/Krimm 1988; Krimm 1982; Krimm 1983
- Rosmanitz 2008