Spielzeug aus Keramik

Fälschlicherweise wird heute oft angenommen, dass die Kindererziehung im Mittelalter sehr streng war und nicht altersgerecht verlief. Die gefundenen Püppchen bestätigt jedoch die Beobachtung neuester archäologischer Ausgrabungen in Lübeck: die Erziehung im Mittelalter war zwar geprägt durch die soziale Stellung und die traditionelle Geschlechterrolle, dennoch mangelte es den Kleinen nicht an Spielzeug. Jungen durften mit Pferdchen, Schiffchen und Rittern spielen. Püppchen aus Holz oder Keramik waren Mädchen vorbehalten.

Die Kleidung der Kruseler-Püppchen ist aufwendig. Sie wurde beispielsweise als Tracht der Frau der Hutten-Grablege in der Klosterkirche in Schlüchtern verewigt. Die Puppe wird nach ihrer spätgotischen Kopfbedeckung, dem „Kruseler“ – Kruselerfigur genannt. Solche Püppchen wurden in jenen Orten gefertigt, in denen ausreichend Nachfrage bestand. In größeren Städten wie Worms, Mainz, Nürnberg oder Augsburg sind Püppchen produzierende Töpfereien archäologisch bezeugt. Den mindestens in Teilen bunt bemalten Püppchen konnte man, ähnlich wie Barbies, zusätzlich Kleidchen oder Gewänder anziehen.

Sicher gab es auf der Burg Bartenstein ursprünglich deutlich mehr Spielzeug. Dieses war jedoch aus Holz und Leder. Dass das Kruselerpüppchen die Zeiten überdauern konnte, ist bei mittelalterlichem Spielzeug eher die Ausnahme als die Regel. Die Puppe belegt, dass auch in Partenstein Kinder mit altersgerechtem und modischem Spielzeug aufwuchsen. Die Eltern des Mädchens waren durchaus bereit, ihrer Tochter eine Freude zu bereiten und brachten ihr von einem ihrer Marktbesuche diese Puppe mit.

Weiterführende Literatur:

Gerlach, Stefan (1998): Mittelalterliche und frühneuzeitliche Tonfiguren aus Unterfranken. In: Beiträge zur Archäologie in Unterfranken, S. 193–210.

Gerlach, Stefan (2000): Weitere spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Tonfiguren aus Unterfranken. In: Beiträge zur Archäologie in Unterfranken, 237-244.

Grönke, Eveline; Weinlich, Edgar (1998): Mode aus Modeln. Kruseler- und andere Tonfiguren des 14. bis 16. Jahrhunderts aus dem Germanischen Nationalmuseum und anderen Sammlungen (Wissenschaftliche Beibände zum Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 14), Nürnberg.

Michl, Eike Henning (2008): Die Ausgrabungen auf der Burg Rodenberg bei Rotenburg an der Fulda. Erste Ergebnisse zur Baugeschichte anhand der archäologischen Untersuchung von 1976. In: Zeitschrift für Hessische Geschichte 113, S. 257–278.

Schneider, Manfred (Hg.) (2018): Funde aus der Lübecker Altstadt I. Spielzeug und Ofenkacheln, Tonpfeifen und Tuchplomben (Lübecker Schriften zur Archäologie und Kulturgeschichte 32), Rahden/Westfalen.

Schütte, Sven (1982): Spielen und Spielzeug in der Stadt des späten Mittelalters. In: Jürgen Wittstock (Hg.): Aus dem Alltag der mittelalterlichen Stadt (Hefte des Focke-Museums 62), Bremen, 201-210.